Haushaltsrede der UGLB

Der Haushalt von Birkenfeld 2024 kann sich immer noch sehen lassen im Vergleich zu etlichen anderen Kommunen in BW. Es gibt aber zukünftig etliche Untiefen. Die Gewerbesteuereinnahmen sind volatil und werden unter anderem durch die gesamtwirtschaftliche Situation beeinflusst. Die gesetzlichen Verpflichtungen wachsen weiter. Zum einen zieht der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz den Bau von Kindergärten nach sich, die Unterbringung von Flüchtlingen ist nicht nur organisatorisch eine Herausforderung, sondern wird auch begleitet durch Kosten für Eingliederung und Schaffen von Kindergartenplätzen. Hinzukommen steigende Abgaben an Land und Kreis.

In der zurückliegenden Periode der im Frühjahr anstehenden Gemeinderatswahl wurden die Kindergärten Gräfenhausen, zwei Waldkindergärten und Pappelstraße gebaut. Auf den Weg gebracht sind der Bildungscampus, bestehend aus Bibliothek, Kindergarten und Grundschule von 12,6 Mio. Euro. Im ehemaligen Stahlareal, welches ebenfalls angegangen wurde, wird ebenfalls ein Kindergarten entstehen. Hinzu kommen Personalkosten in erheblichem Umfang. Um die Familien zu entlasten, wird der Löwenanteil der Personalkosten für die Kinderbetreuung von Birkenfeld getragen. Nach dem Motto, das Vermögen der Gemeinde befindet sich unter der Erde, wurden etliche notwendige Tiefbaumaßnahmen, wie z.B. die Industriestraße begonnen und zwischenzeitlich fertig gestellt.

Birkenfeld hat im Gegensatz zu etlichen anderen Kommunen seine Hausaufgaben gemacht. 

Die Umstellung von der kameralistischen Buchführung auf die Doppik hat dazu geführt, dass Gebäudeinvestitionen auf die Laufzeit abgeschrieben werden. Dies führt auch dazu, dass die Abschreibungen jedes Jahr durch Einnahmen ausgeglichen werden müssen.

Hinzu kommen Abflüsse an Land und Bund. Die PZ titelte am 04.02. des Jahres „Birkenfeld´s Reichtum fließt an Land und Kreis“. Birkenfeld überweist hohe Beträge an das Land und den Kreis“ – diese „Transfers“ sollen rund 15 Millionen verschlingen.

Das zu Grunde liegende Prinzip ist, dass starke Schultern mehr tragen können als schwache. Das System führt aber dazu, dass nach zwei guten Jahren von Gewerbesteuereinnahmen, die Abgaben im dritten Jahr steigen. 

Um auch zukünftig alle Aufgaben bewältigen zu können, bedarf es weiterer Mittelzuflüsse.

Um Birkenfeld für die Zukunft fit zu machen, stehen ortsprägende Veränderungen an. Die Gestaltung der neuen Ortsmitte mit dem Dittus-Areal, die Entwicklung vom Zaungässle, das ehem. Stahl-Areal, der Bildungscampus und die Markthalle sollen das positive Lebensgefühl der Bürger steigern und auch neuen, dringend benötigten Wohnraum schaffen.

Ein weiteres Großprojekt wird Smart Birkenfeld sein. Eine Machbarkeitsstudie liegt vor und wurde auch veröffentlicht.

Die Bürger werden nicht nur, aber bedingt durch den steilen Anstieg der Energiepreise durch den Krieg in der Ukraine, mit immer höheren Lebenshaltungskosten konfrontiert. Hinzu kommen steigende Abgaben für CO2-Emmisionen und Netzausbau.

Vor guten 1,5 Jahren wurden die Bürger nicht nur mit steil steigenden Lebenshaltungskosten konfrontiert, sondern auch Strompreise von 60 Cent für den Strombezug aufgerufen, welche mittlerweile wieder auf um die 40 Cent gefallen sind. Seitens der Energieversorger werden aber die Bürger auf weiter steigende Preise vorbereitet. Aber auch die Gaspreise gingen durch die Decke, als die Pipelines von Russland kein Gas mehr geliefert haben. Etliche Bürger stellen sich die Frage, wie das alles mit dem Gehalt oder gar der schmalen Rente zukünftig zu stemmen ist?

In Verbindung mit Smart Birkenfeld wird es uns möglich sein, die Energiepreise auf etliche Jahre hinaus auf einem für die Bürger bezahlbares Niveau zu bringen. Für den Strombezug wird in der Studie ein Preis von 28 Cent je kWh angegeben. Eine Abordnung der Verwaltung und Gemeinderat hatte am 13. Februar die Gelegenheit, die Fernwärmeversorgung der Stadt Lemgo zu besichtigen. Die klimaneutrale Wärme übernehmen von Frühjahr bis Herbst im wesentlichen Solarthermiekollektoren. Die Kraftwerkskapazität beträgt 5,2 MW. In den Wintermonaten und an schlechten Sonnentagen helfen eine Großwärmepumpe, welche das Flusswasser nach dem Eintritt der Kläranlage kühlt und damit den Gewässerschutz fördert und zwei BHKW mit, die Wärmeversorgung aufrecht zu erhalten. Der Wärmeabgabepreis in Lemgo für den Bürger beträgt 11 Cent. Davon können die Bürger unserer großen Nachbarkommune nur träumen. Die hohen Preise dort, sind unter anderem den hohen Bezugskosten für fossiles Gas geschuldet.

Die Wellen, welche die hohen publizierten Wärmepreise unserer Nachbarkommune geschlagen hat, führen zu einer Verunsicherung der Bürger – auch in Birkenfeld. Wem kann man noch vertrauen, ist die Frage?

Eine Sicherheit gibt es: Die Preise für fossilen Energieträger werden unabhängig von den Klimadebatten weiter steigen. Die erneuerbaren Energien produzieren die für uns alle notwendige Energie immer kostengünstiger. Dies liegt zum einen an den Skalen-Effekten der Massenherstellung und zum anderem am technischen Fortschritt.

Große PV- und Wind-Anlagen in Deutschland produzieren die kWh für ca. 5 Cent. In den südlichen Regionen der Erde liegen die Produktionskosten bei unter 2 Cent/kWh. Vergleichbar den Abnahmeverträgen mir Russland benötigen wir Abnahmeverträge zu Staaten, welche uns regenerative Energie kostengünstig und ausreichend liefern können. Hierzu zählt auch regenerativ erzeugter Wasserstoff, welchen wir dringend für industrielle Prozesse und zur Zwischenspeicherung von Energie benötigen.

Smart Birkenfeld setzt für die Energieerzeugung, Speicherung und zur Verfügungstellung auf eine Vielzahl von Bausteinen, welche die bilanzielle Klimaneutralität für Birkenfeld zu bezahlbaren Preisen garantiert.

Bausteine sind die Photovoltaik, Geothermie, Biomasse, chemische Speicher, Wind und Wasserstoffspeicherung durch Elektrolyse. 

Mittels der Zwischenspeicherung der Energie kann Birkenfeld nicht nur die Birkenfelder versorgen, sondern am Strommarkt Regelenergie im Sinne der Investition auskömmlich verkaufen. Dies auch in Anbetracht der Situation, dass der Netzausbau in Deutschland nicht so richtig vorankommt. Warum legen wir bei den Bahnlinien, welche von Norden in den Süden laufen, nicht noch ein oder zwei Kabel für den Strom von der Küste in den Süden? Dies gilt auch für die Autobahnen. Dies in Verbindung mit HGÜ-Leitungen (Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung), um die Leitungsverluste klein zu halten. Die BAB und die Bahn gehören dem Staat und damit sollten schnelle Genehmigungsverfahren einhergehen.

Nicht unerwähnt sollte sein, dass Birkenfeld auch mit diesem Projekt seinen Verpflichtungen nachkommt. Bei der Weltklimakonferenz in Paris1 2015 hat die internationale Staatengemeinschaft beschlossen, dass das Leben auf der Erde bis 2050 klimaneutral wird. 197 Länder haben teilgenommen. 180 Staaten haben das Abkommen ratifiziert (Sept. 2018), darunter auch die Europäische Union (EU) und Deutschland (Okt. 2016). Die Staaten setzen sich das globale Ziel, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf „deutlich unter“ zwei Grad Celsius zu begrenzen mit Anstrengungen für eine Beschränkung auf 1,5 Grad Celsius.  

Sollte die Bundesrepublik die Meilensteine verfehlen, wird Deutschland Emissionsrechte von anderen Ländern kaufen müssen, um das Defizit auszugleichen, wobei die genaue Höhe der Geldstrafe wohl zwischen 7,5 Milliarden Euro und 30 Milliarden Euro liegen wird.

Am 24.10.22 kam in der Tagesschau: „Deutschland hat seine Klimaziele verpasst – vor allem im Gebäude- und Verkehrsbereich. Als Konsequenz werden nun Emissionsrechte von anderen EU-Ländern in Millionenhöhe gekauft. Das Geld fließt dort in zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen.“2

Der verschärfte Zielpfad der Klimaziele von Deutschland für die Minderung der ⁠Treibhausgas⁠-Emissionen ggü. 1990 ist wie folgt festgelegt: bis 2030 um mindestens 65 %, bis 2040 um mindestens 88 %, bis 2045 Erreichung von Netto-Treibhausgasneutralität und nach 2050 sollen negative Treibhausgas-Emissionen erzielt werden.

Auf nationaler Ebene sind im Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) nach der Änderung vom 18.08.2021 das langfristige Klimaschutzziel des Erreichens der Netto-Treibhausgasneutralität bis 2045 festgelegt, sowie Minderungsziele für ⁠Treibhausgas⁠(THG)-Emissionen für jedes Jahr bis 2040 formuliert.

Klimaneutralität bedeutet, ein Gleichgewicht zwischen Kohlenstoffemissionen und der Aufnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre in Kohlenstoffsenken herzustellen. Um Netto-Null-Emissionen zu erreichen, müssen alle Treibhausgasemissionen weltweit durch Kohlenstoffbindung ausgeglichen werden.

Wer Interesse hat, sich die notwendigen Maßnahmen zur Erreichung des Temperaturanstiegs anzusehen, dem kann ich den Klimaschutzsimulator EnRoads3 empfehlen, welcher von Herrn Prof. Kapmeier (UNI Reutlingen) und dem MIT entwickelt wurde. Interessant ist auch die verbundene Entwicklung des Bruttosozialproduktes. Sie finden den Simulator im Internet (siehe Link Fußnote) und benötigen einen Rechner mit Browser und Netzzugang.

Dass wir jede eingesparte Kilowattstunde Energie, welche wir einsparen, nicht erzeugen müssen, ist unstrittig. Nur sollte das Augenmerk darauf fokussiert werden, dass wir mit Anstrengung die Maßnahmen angehen, welche nicht mit einem übermäßigen Verzicht einhergehen. Die Umstellung der Straßenbeleuchtung in Birkenfeld ist hierzu ein positives Beispiel. Wir sparen über 2/3 Strom ein, die Investition ist innerhalb kürzester Zeit amortisiert und wir haben technische hilfreiche moderne Gimmicks und eine bessere Ausleuchtung.

Die Bürger erwarten zu Recht eine lebenswerte Umwelt, aber auch Lebensbedingungen insgesamt, damit es Freude macht in dieser größtenteils tollen Welt leben zu dürfen.

Wir haben durch Anstrengungen der Technik und der Bürger durch ihre Investitionen im Bereich der Erneuerbaren Energien einen Anteil beim Strom von 60% geschafft. Das ist gemessen an die Vorhersage einer Umweltministerin vergangener Zeiten sensationell gut. Leider haben wir neben dem Strom die Sektoren Wärme und Verkehr, welche zum größten Teil noch fossil geprägt sind. Hierdurch wird aus den 60% beim Strom ein Sektorenmix von nur 20% an Erneuerbarer Energie. Dies ist aus meiner Sicht unser Hauptproblem.

Nebenbei bemerkt – ein Wiedereinstieg in die Kernenergie wird und kann uns nicht helfen. 

Von der Genehmigung bis zur Inbetriebnahme vergehen 20 Jahre. Der Anteil lag ehemals bei bescheidenen 3,2%. Bei aller vermeintlichen Sicherheit der Reaktoren in Deutschland bleibt das Thema Entsorgung und vor allem der Faktor Mensch. Die Presse meldet im Sommer 2022 „Russische Truppen nutzen größtes Atomkraftwerk Europas in Saporischschja als Schutzschild“.

Auch die Mär, dass wir große Mengen Atomstrom von Frankreich beziehen, ist so nicht richtig. Fraunhofer ISE4 veröffentlicht hierzu aktuelle Charts – z.B. Grenzüberschreitender Stromhandel zwischen Deutschland und seinen Nachbarländern in 2023/2024. Den Link hierzu finden Sie am Ende des Berichtes.

Mit Smart Birkenfeld schaffen wir es auf regionaler Ebene bei den Sektoren Strom und Wärme auf einen sehr guten Mix zu kommen. Der Grundstein im Sektor Verkehr ist aber auch in Birkenfeld durch das Carsharing Angebot mit Elektrofahrzeugen und dem Engagement der Bürger gelegt.

Wenn alles noch einigermaßen gut läuft, am Himmel sich Schlechtwetterfronten anzeigen und Halbwahrheiten ihren Lauf nehmen, kommt beim Bürger eine starke Verunsicherung auf. Wir müssen den Bürgern durch kompetente Aufklärung die Angst nehmen und die mit dem Projekt verbundenen großen Chancen für jeden einzelnen Bürger darstellen. Hierzu bedarf es professionelle Veranstaltungen, bei welchen hochkarätige unabhängige Experten den Bürgern das Projekt in allen Facetten näherbringen und erklären.

Zu einer lebendigen Demokratie gehört eine rege Bürgerbeteiligung und es müssen kritische Fragen gestellt werden. Es muss Platz für Licht und Schatten geben. Diese tragen zu einem besseren Gelingen der Vorhaben bei. 

Aber nur ein gut informierter Bürger kann sich eine abschließende Meinung über ein solch wichtiges Vorhaben wie Smart Birkenfeld bilden.

Es gibt kritische Stimmen bezüglich Windräder und dem notwendigen Platz im Wald. Hier möchten wir eindringlich dafür werben, die jährliche Holzernte, welches ein Vielfaches davon beträgt, deutlich, bis auf Wegsicherungsmaßnahmen, herunterzufahren.

Was uns im Sinne der Energieeffizienz wichtig wäre, dass in Verbindung mit dem bestehenden Haushalt Geld in Maßnahmen zur Energieeinsparung unserer kommunalen Energieschleudern fließt, damit wir nicht nur zur besseren CO2-Bilanz beitragen, sondern auch die Energiekosten deutlich reduzieren. Es geht uns hierbei hauptsächlich um die geringinvestiven Maßnahmen, wie: Umstellung auf LED-Beleuchtung, Wärmerückgewinnung Schwarzwaldhalle, Dämmung Lehrschwimmbecken, Anschaffung neuer Wärmeerzeuger nach Laufzeiten von teilweise über 30 Jahren, hydraulischer Abgleich, Anbringung programmierbarer Heizkörperventile, Einführung eines aktiven Energiemanagement, um auf Abweichungen schnell reagieren zu können.

Das anstehende Haushaltjahr bietet viele Herausforderungen, aber auch sehr viele Chancen, die Weichen für eine nachhaltige Zukunft für die nachfolgenden Generationen zu stellen. Die UGLB freut sich darauf, diese Herausforderungen anzunehmen und die Dinge mit der Verwaltung und allen Gemeinderätinnen und Gemeinderäten voran zu bringen und zu gestalten. 

Wir danken der Verwaltung und insbesondere der Finanzverwaltung für die Erstellung des HH-Planens, den eingeleiteten Maßnahmen zur Anpassung der Organisation und den zukunftsweisenden Maßnahmen zur Erreichung der Klimaschutzziele. 

Die UGLB stimmt dem Haushaltsplan zu.

Links:

  1. https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Artikel/Industrie/klimaschutz-abkommen-von-paris.html
  2. https://www.tagesschau.de/inland/klimaziele-deutschland-emissionsrechte-101.html
  3. https://en-roads.climateinteractive.org/scenario.html?v=24.1.0&lang=de
  4. https://energy-charts.info/charts/import_export/chart.htm?l=de&c=DE